Verwobene Geschichte(n). Herkunftsorte von Objekten und ihre Beziehungen zu Schleswig-Holstein (6)

 

Japaner in Schleswig-Holstein

 

1861 eröffneten das Königreich Preußen und das Kaiserreich Japan offizielle (Handels)beziehungen. Nach der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 kamen die ersten Japaner auch nach Schleswig-Holstein. So hielt sich Fürst Iwakura Tomomi im Rahmen seiner politischen Mission 1873 kurz in Kiel auf. Bereits ab etwa 1886 kamen die ersten Studenten. Sie studierten zumeist Medizin, aber auch Jura, Philosophie, Ingenieurwesen oder Zoologie oder besuchten die Militärakademie. Sie wohnten nördlich der Altstadt in den heutigen Stadtteilen Ravensberg-Brunswik-Düsternbrook in der Baustraße, Schauenburgerstraße, Feldstraße, Kleiststraße, im Lorentzendamm oder Niemannsweg. Unter ihnen war auch ein Mitglied der kaiserlichen Familie. Prinz Fushimi Hiroyasu besuchte von 1892-1895 in Kiel die Marineakademie. Er soll zur Eröffnung des damaligen Kaiser Wilhelm Kanals (heute Nordostseekanal) die Platanenallee in der Kiel-Holtenauer Kanalstraße gestiftet zu haben.

Im Jahr 1900 besuchte der japanische Prinz Kanin Kotohito im Rahmen seiner Europareise als erster offizieller japanischer Gast Kiel. Prinz Heinrich gab ihm zu Ehren ein Festmahl im Schloss. Vermutlich war dies eine Gegeneinladung für seine Teilnahme an einem Gartenfest in Tokyo im Jahr zuvor.

 

Der erste japanische Angestellte in Schleswig-Holstein war Masaharu Sasaki. Zusammen mit dem Japanreisendem und Sammler, dem Wiener Adolf Fischer, gestaltete er 1908 die erste Japan-Ausstellung in Kiel. Auch sollte er sich um die Errichtung des ersten deutschen Museums für Ostasiatische Kunst kümmern. Fischer hatte den damaligen Kieler Bürgermeister für seine Idee begeistern können. Der Museumsbau war in der Krusenkoppel geplant, realisiert wurde er aber 1913 in Köln.

Der erste deutsch-japanische Spielfilm kam 1937 in die Kinos: „Die Tochter des Samurai“.

 

Die große Zahl von künstlerischen und wissenschaftlichen Kontakten/Besuchen durch die Jahrzehnte kann hier nur kursorisch wiedergegeben werden. Erinnert sei u.a. an den Maler Masataka Maejima, von dem das ehemalige Kieler Völkerkundemuseum 1970 vier Bilder geschenkt bekam und an den Friesischspezialisten Prof. Makoto Shimizu von der Universität in Hokkaido, der 1989 ein Forschungssemester in Kiel u.a. an der Nordfriesischen Wörterbuchstelle verbrachte.

1994 wurde in Halstenbek die Japanische Schule begründet. Japanische Unternehmen wie Nikon und Sysmex in Norderstedt oder Panasonic in Neumünster (bis 2007) produzier(t)en im Land. Seit 1994 wird an der Kieler Humboldt-Schule Japanischunterricht angeboten, ihrem ehemaligen Direktor wurde 2020 vom japanischen Kaiser sogar der „Orden der Aufgehenden Sonne, Goldene Strahlen mit Rosette“ verliehen.

 

2005 hatte das Schleswig-Holstein-Festival einen Japanschwerpunkt. Auch gab es wiederholt Flottenbesuche, z.B. anlässlich der Kieler Woche, oder Konzerte japanischer Chöre.

 

„Japan beginnt an der Ostsee“ – so heißt ein Buch über den in Cismar lebenden Töpfer Jan Kollwitz, der in Japan in traditioneller japanischer Keramikherstellung ausgebildet wurde.  Angesichts von 845 Japanern in Schleswig-Holsteins, 75 von ihnen leben 40 Jahre und mehr hier, und angesichts der Mangas und Anime-Filme in den Stadtbüchereien und Buchhandlungen, der zahlreichen Judo- , Karate- und Aikido-, aber auch der Kyudo-Bogenschießvereine, der Möglichkeit, Japanisch an einer der Volkshochschulen zu lernen, den Teezeremonien von Meisterin Michiyo Suzuki-Kubiak, den Kunstwerken des japanische Patissier Shoya Kojima (beide Kiel), dem Zen-Zentrum in Schönböken und der zahlreichen Sushi-Angebote und japanischen Autos darf man sagen: Japan ist quasi überall in Schleswig-Holstein präsent.

 

Im Text zuvor (Schleswig-Holsteiner in Japan) wurden einige Objekte gezeigt, die Schleswig-Holsteiner aus Japan mitgebracht haben. In diesem Beitrag können wir auch einige Gegenstände zeigen, die Japaner den Museen geschenkt haben.

Was aber haben die Japaner, die im 19. Jahrhundert in Schleswig-Holstein waren, nach Japan mitgebracht? Welche Gegenstände haben sie mit Deutschland / Schleswig-Holstein verbunden, was haben sie zu Hause erzählt oder nach Hause geschrieben? Ob sich einige Gegenstände davon im „großen japanischen Landesmuseum“ befinden, von dem der Japanreisende Willemoes-Suhm 1875 berichtete, das dort neben „japanischen Altertümer[n], Waffen und Werkzeuge[n] aus der Steinzeit […]“ auch „eine große Sammlung auf der Wiener Ausstellung gekaufter Gegenstände in bunter europäischer Mischung: venezianische Fotografien, österreichische Jägerröcke, Apoll von Belvedere, Musikdosen etc“  (Willemoes-Suhm 2015: 250) ausgestellt wurde? Und was bringen heute Japaner aus Schleswig-Holstein oder japanische Touristen nach Japan mit?

 

 

Fotos: Schleswig: © Museum für Archäologie Schloss Gottorf, Fotograf: Sönke Ehlert, Kiel

 

Literatur

Hartmann, Rudolf

2007      Japanische Offiziere im Deutschen Kaiserreich 1870-1914. In: Japonica Humboldtiana 11 (2007): 93-158. Abgerufen unter: Japanische Offiziere im Deutschen Kaiserreich, 1870-1914 (hu-berlin.de) (21.2.2022)

 

Janocha, Peter

2006      Spurensuche: Schleswig-Holstein und Japan von den Anfängen bis zur Gegenwart. Neumünster.

 

Morio, Bert

2019      Die Holtenauer Platanenallee. Abgerufen unter: Geschichte Holtenaus - Die Platanenallee (apt-holtenau.de) (21.2.2022)

 

Willemoes-Suhm, Rudolf von

2015      Die Challenger-Expedition. Zum tiefsten Punkt der Weltmeere. 1872-1876. Wiesbaden.

 

  

Onlinequellen

Jan Kollwitz – Japanische Keramik aus dem Anagama-Ofen (21.2.2022)

japan-beginnt-an-der-ostsee.pdf (jankollwitz.de) (21.2.2022)

Filigrane Handarbeit: Japanische Zuckerkunst in Kiel | NDR.de - Nachrichten - Schleswig-Holstein (21.2.2022)

Iwakura-Mission in Deutschland – Wikipedia (24.2.2020)

Gemeinde Halstenbek: Japanische Schule (25.2.2022)

Zen-Zentrum Schönböken (zen-vereinigung.de) (25.2.2022)

Teezeremonie – Kulturwerft e.V. (kultur-werft.de) (25.2.2022)

新しき土 Tochter des Samurai - YouTube (28.2.2022)

Die Tochter des Samurai – Wikipedia (28.2.2022)

A I 4 - j 20 SH (statistik-nord.de) (21.2.1022)

Japan — International Center der CAU Kiel (uni-kiel.de) (21.2.2022) 

Impressum - Schleswig-Holstein und Japan (schleswig-holstein-und-japan.de) (28.2.2022)

Verwobene Geschichte(n). Herkunftsorte von Objekten und ihre Beziehungen zu Schleswig-Holstein (5)

 

Schleswig-Holsteiner in Japan

 

Am 1./2.11.1912 schrieb der Oberzahlmeisters der Marine Otto Schulze aus Berlin an seine Frau: „Erst japanisches Diner, dann Geishatänze. Na, ich werde kaum hingehen, da ich für diese Affenweibchen mit ihren ungraziösen Bewegungen nicht soviel Geld ausgebe. Eher kaufe ich dafür eine kleine Sache und lasse mir erzählen, wie es gewesen ist … .“ Am folgenden Tag setzt er seinen Brief fort: „Heute Nachmittag war ich wieder einkaufen für die Messe und habe den Kauf perfekt gemacht. Im Ganzen habe ich für 400 Yen = 840 Mark Weihnachtsgeschenke gekauft, meist Bronzesachen. Es gibt doch famose Sachen hier … .“

 

Wie anders liest sich dagegen der 1669 veröffentlichte Text von Jürgen Andersen, der 1646 als erster schriftlich belegter Schleswig-Holsteiner japanischen Boden betrat: „Die Japanern werden von etlichen für das streitbahreste Volck in gantz Orient gehalten / die sich in occasion für Lebens-Gefahr nicht fürchte / und hochhertzig / wollen lieber das Leben verlieren / als Schimpf leiden. Sie haben auch das Lob / daß sie discret und rechtfertig gegen alle Menschen sind / sagen / daß die Natur ihnen ins Hertz gegeben / daß sie mit jedermann aufrichtig handeln sollen / gleich wie sie wollen / daß man mit ihne thun soll. Daher Stehlen / Töten / Ehebrechen / fälschlich angeben bei ihnen für das gröste Laster und Ubel gehalten wird; Im Handel und Wandel sollen sie mit Wissen und Willen niemand vervortheilen / wann etwa unversehens sie einem unrecht gethan / und werdens hernach inne / bekennen sie es / und gebens wieder zurücke.“

 

Zu der Zeit von Andersens Aufenthalt hatte sich Japan bereits seit etwa sieben Jahren von der westlichen Außenwelt und ihren Errungenschaften abgeschottet und gestattete ausschließlich den Niederländern Zugang. Dies musste auf der künstlich vor Nagasaki errichteten und streng bewachten Insel Deshima geschehen. Seinen Angaben nach handelte die Niederländische Ostindien Kompagnie neben (Edel-)Metallen, Kampfer, Seide, Baumwolle, Reis und Weizen auch „schöne Arbeit von Lackwerke als Laden / Schreibe-Cantoren / Kisten und allerhand Geschirre. Ich habe gesehen / daß hier für ein / aber sehr köstlich geziertes Schreibe-Cantor 14 hundert Holländische Gülden gegeben worden.“ Auch Waffen begeisterten die Niederländer. Andersen berichtet: „Ich habe aber einen sehr köstlich gezierten Säbel gesehen, den die Compagnie um 300 Rthl. Contant Geld bezahlet.“

Auch der Sylter Kapitän Sievert Levsen arbeitete für die Niederländische Ostindien Kompagnie. 1821 betrat er zum zweiten Mal japanischen Boden: „1821 in der Mitte des Juni Monats, wurde unter gleichen Umständen wie im vorigen 1820sten Jahre die Reise angetreten, nur dies verdient besonders angemerkt zu werden, daß das Holl. Gouvernement uns zwey Kamele mitgab, welche dem Kayser zu Japan als Geschenke dargebracht werden sollten. Diese sind denn auch bei unsrer Ankunft gegen das Ende des Juli Monats richtig abgeliefert, und weiter nach der Residenz oder Hauptstadt Yedde, woselbst der weltliche Kayser oder Kubo residirt, befördert worden“ (Levsen 1824:507).

 

Der Glückstädter Rudolf von Willemoes-Suhm, besuchte im Jahre 1875 Yokohama, Tokyo, Osaka und Kobe. Zu dieser Zeit war die Öffnung Japans von den US-Amerikaners bereits erzwungen worden. Er war der einzige deutsche Teilnehmer der englischen Challenger-Expedition zur Erkundung der Meerestiefen. Aus Osaka schrieb er am 7. Mai seiner Mutter: „Von hier [Kobe] fuhr ich zu dem nur eine Stunde per Eisenbahn entfernten Osaka, um Götzenbilder und alte Bücher zu kaufen, die dort am besten zu haben sind“, wo er einige hölzerne Statuen des Buddha, fein geschnitzt, in sitzender Stellung, ein bis anderthalb Fuß hoch gekauft.“ Etwas später beschreibt er die Straßenzüge: „Es ist ganz eigentümlich, durch die Straßen zu gehen, die wie ein einziger ungeheurer Antiquitätenladen aussehen, und welche Mengen von schönen Dingen müssen hier im Land gewesen sein, wenn trotz des großen Exports nach Paris und New York das Angebot noch immer nicht nachlässt.“  Die japanischen Händler waren sich augenscheinlich des Wertes der angebotenen Objekte bewusst, denn der Preis einiger „herrliche Gemälderollen“ war dem jungen Wissenschaftler „zu hoch“.

 

Weitere berühmte Japanreisende aus Schleswig-Holstein waren Prinz Heinrich von Preußen und Emil Nolde. Der Bruder des letzten deutschen Kaisers, der bis 1918 im Kieler Schloss wohnte, reiste insgesamt dreimal nach Japan. Das erste Mal betrat er im Alter von 17 Jahren im Rahmen seiner Marineausbildung japanischen Boden. Er blieb fast ein Jahr, reiste zumeist standesgemäß durch das Land und erhielt mehrere Audienzen beim japanischen Kaiser. Im Alter von 32 und von 50 Jahren besuchte er erneut das Land, zuletzt 1912 zu den Trauerfeierlichkeiten des damaligen japanischen Kaisers. Prinz Heinrich erhielt auf allen seinen Reisen wertvolle Gastgeschenke und kaufte vermutlich auch selbst einige Gegenstände. Teile seiner Japansammlung sind im Museum Schloss Gottorf ausgestellt. Da die Vorliebe des Prinzen für japanische Rüstungen und Waffen sowie für alles maritime bekannt war, gehörte zu den diplomatischen Geschenken auch eine herausragende Daimyo-Rüstung mit dem Wappen der Tokugawa-Familie. Weitere Objekte hat er vermutlich selbst als Andenken erworben.

 

Der Maler Emil Nolde und seine Frau Ada betraten Japan im November 1913. Es war ein Abstecher auf ihrem Weg in die Südsee, der sicherlich auf dem Interesse des Malers an dem Land basierte, hatte er sich doch bereits Jahre zuvor gedanklich und künstlerisch mit japanischer Kunst auseinandergesetzt. So schrieb er 1906 an seine Frau: „Das, was ich gern wollte, ist ein eingehendes Studium der japanischen Kunst in seinen Farben [sic!]“ (Emil Nolde an Ada Nolde, 11.02.1906, zitiert nach Knippschild 2020: 183, dort zitiert nach einer Übersetzung aus dem Dänischen, aus dem Archiv der Nolde Stiftung Seebüll). Auch befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits Gegenstände aus Japan in seinem Besitz. In den zwei Wochen ihres Aufenthaltes folgte die kleine Reisegruppe etablierten touristischen Pfaden. Man besuchte unter anderem die Städte Tokio, Kobe, Nikko und Kyoto, sowie den Horyu-ji Tempel in Ikaruga und die Schwefelfelder und heißen Quellen Owakudanis in Hakone. Die kleine Reisegruppe reiste anschließend weiter nach China und kurz vor der Weiterfahrt in Richtung der Philippinen wurden „[…] unsere kleinen, mit viel Liebe und wenig Mittel erworbenen Einkäufe […] nach Hause“ geschickt (Nolde 1965: 52).

 

Neben den oben genannten Reisenden, gab es auch die Schleswig-Holsteiner, die sich ab 1861 länger im Land aufhielten, um als Kaufmann, Dolmetscher in diplomatischem Diensten, Generalkonsul, Kapitän japanischer Postdampfer, Hotelbesitzer, Missionar, für die Kriegsmarine oder an Universitäten zu arbeiten. Manche heiraten in Japan und sind dort begraben.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges gerieten die 4.700 Soldaten, die im damaligen deutschen Schutzgebiet in China, Tsingtau (Qingdao), stationiert waren, in japanische Kriegsgefangenschaft. Unter diesen befanden sich 220 Schleswig-Holsteiner. Einige haben in Japan bleibende Sputen hinterlassen. Der Glücksburger Militärmusiker Hermann Richard Hansen führte als Dirigent mit seinem Orchester 1918 im Lager in Naruto zum ersten Mal in Japan Beethovens „Ode an die Freude“ auf und setzte damit den Grundstein für Japans Beethovenbegeisterung. Dieses Ereignis wurde 2006 in einem Spielfilm festgehalten (Baruto no gakuen - Ode an die Freude Trailer - YouTube), der in Japan ein Kassenschlager war. Helmuth Friedrich Carl Ketel aus Wedel verblieb nach dem Ende der Kriegsgefangenschaft in Japan, heiratete eine Japanerin und gründete eine Bar und ein Restaurant in Tokyo, das bis zur Schließung im Jahre 2004 im Familienbetrieb geführt wurde.

 

1920/21 machten viele der nach Deutschland zurückkehrenden Kriegsgefangenen auf ihrem Rückweg Station im chinesischen Qingdao und kauften z.B. beim dem dort ansässigen japanischen Ladenbesitzer T. Takahashi „Andenken aus China“ – nicht wenige davon waren, ohne dass sie es wussten, „made in Japan“.

 

Lackwaren, Porzellan, religiöse Figuren, Seidenmalereien und Bronzen machen heute einen großen Teil der etwa 450 Japangegenstände der beteiligten Museen aus. Dazu kommen Fächer, Samurairüstungen, Waffen, Holzschuhe und Socken, Tabakpfeifen, Bekleidungszubehör und Theatermasken. Mit Ausnahme der Gastgeschenke, die Prinz Heinrich erhalten hat, wurden sie vermutlich in speziellen Geschäften erstanden. Hierbei handelt es sich einerseits um die oben beschriebenen Antiquitäten- bzw. Curio-Geschäfte. Ein frühes Foto des in Yokohama lebenden Fotografen Felice Beato (1832-1909) aus dem Jahr 1868 zeigt das Angebot eines solches Geschäftes (Japan: a curio shop selling traditional Japanese products like lacquer-ware, carved ivory and bamboo work; interior. Coloured photograph by Felice Beato, ca. 1868. | Wellcome Collection). Neben Antiquitäten haben sie auch Gegenstände im Programm gehabt, die ausschließlich für den Verkauf an die Ausländer bestimmt waren. Obwohl für die „Gaijin“ bzw. „gaikokujin“ bestimmt, wie die Japaner die Fremden/Ausländer nennen, waren sie teilweise von sehr guter handwerklicher Qualität.

 

In frühen Reiseführern werden den Reisenden außerdem noch Spezialgeschäfte empfohlen, die Bronze, Cloisonné, Silber, Bücher, Papierwaren und Fächer, Perlen, Seidenwaren und Stickereien, Lackwaren, Porzellan und Kunst führten. In der Wörterliste für die Touristen waren unter dem Begriff „Shopping“ die japanischen Begriffe für Rüstung, Helm, Pfeile, Masken, Gemälde usw. aufgeführt. Bei besonders beliebten Mitbringseln wie Waffen, Rüstungen oder Rüstungsteilen profitierten die Käufer im Grunde aber von den gesellschaftlichen Umbrüchen des Landes, bei denen die Samurai ihre Funktion verloren hatten, verarmten und in ihrem Besitz befindliche Objekte verkaufen mussten.  Wie alte Fotos von Curio-Geschäften zeigen, geschah dies möglicherweise erst ab den 1880er Jahren.

 

Die heute in den Museen erhaltenen Gegenstände ermöglichen folglich nur bedingt Einblick in das traditionelle Leben im Japan des 19. Jahrhunderts. Eher geben sie Auskunft darüber, was ein Reisender damals für kaufwürdig ansah. Sie geben ebenso Auskunft über das jeweilige Angebot.

 

Fotos: Neumünster: ©Museum Tuch + Technik, Fotograf: Sönke Ehlert, Kiel; Husum: ©Nordfrieslandmuseum Nissenhaus Husum, Fotografen: Thomas Lorenzen, Husum, Tanja Brümmer, Husum; Schleswig: Museum für Archäologie Schloss Gottorf, Fotografen: Sönke Ehlert, Kiel, Arbeitsfoto Kalka;  Seebüll: © Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, Fotograf: Dirk Dunkelberg, Berlin; Keitum (Sylt): © Sylt Museum, Fotograf: Abeitsfoto Kalka.

 

Zum Weiterlesen


Pantzner, Peter, Sven Saaler und Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens

2007      Japanische Impressionen eines kaiserlichen Gesandten: Karl von Eisendecher im
Japan der Meiji-Zeit. München; Tôkyô: Iudicium. ISBN 9783891299302

 

Literatur

 

Janocha, Peter

2006      Spurensuche: Schleswig-Holstein und Japan von den Anfängen bis zur Gegenwart. Neumünster.

 

Hollberg, Cecilie (Hg.)

2014      Tourist in Japan um 1900. Dresden.

 

Kihin Kai, Welcome Society

1906      A guide book for tourists in Japan. 2nd edition. Abgerufen unter: Full text of "A guide-book for tourists in Japan" (archive.org) (24.2.2022)

 

Knippschild, Monika

2020      „Da wurde der Wunsch zur Begierde“. Über Japansehnsucht und Künstlerreisen im 19. Und frühen 20. Jahrhundert. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Abgerufen unter: Endversion.pdf (uni-heidelberg.de) (23.2.2022)

 

Levsen, Sievert

1824      Einige Nachrichten von einer vierjährigen, mit dem Schiffe Fortitudo unter Commando des Schiffscapitains Sievert Levsen von Wyck auf der Insel Föhr gemachten Ostindischen und Japanischen Reise, insonderheit in Beziehung auf Japan. In: Staatsbürgerliches Magazin mit besonderer Rücksicht auf die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Band 4, Heft 3/4. Schleswig. S. 493-508. Abgerufen unter: Staatsbürgerliches Magazin mit besonderer Rücksicht auf die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg (Vierter Band) - UB Kiel digital (uni-kiel.de) (24.2.2022)

 

Nolde, Emil

1965      Welt und Heimat. Die Südseereise 1913-1918 geschrieben 1936. Köln.

 

Olearius, Adam (Hg.)

1696      Orientalische Reise-Beschreibung Jürgen Andersen aus Schleßwig, der Anno Christi 1644 außgezogen, und 1650 wieder kommen und Volguard Iversen aus Hollstein, so anno 1655 außgezogen, und 1668 wieder angelangetOrientalische Reise-Beschreibung Jürgen Andersen aus Schleßwig Der Anno Christi.pdf (27.2.2022)

 

Schulze, Otto

2015      Briefe aus Fernost 1908-1913. Teil 2. Oberzahlmeister Otto Schulze schreibt aus Tsingtau. In Kooperation mit dem Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv – unter Mitwirkung des Bernd Liebig – redigert und herausgegeben von Jürgen Ruszkowski. Hamburg.

 

 Willemoes-Suhm, Rudolf von

2015      Die Challenger-Expedition. Zum tiefsten Punkt der Weltmeere. 1872-1876. Wiesbaden.

 

 

Onlinequellen:

Ostasienabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin, Lexikon Japans Studierende - Listenansicht (crossasia.org) (21.2.2022)

160 Years of German-Japanese Friendship: Germany’s Role in Japan’s Modernization | Nippon.com (22.1.2022)

Höflichkeitsbesuch von Generalkonsulin Kato beim Präsidenten Industrie- und Handelskammer zu Kiel | Japanisches Generalkonsulat Hamburg (emb-japan.go.jp) (21.2.2022)

Die deutsche Rolle bei der Modernisierung des japanischen Kaiserreiches: zur deutschen Kolonialerfahrung in Japan seit der Eulenburg-Expedition (openedition.org) (21.2.2022)

Ode an die Freude (Film) – Wikipedia (23.2.2022)

Baruto no gakuen - Ode an die Freude Trailer - YouTube (23.2.2022)

Ode an die Freude (2006) - IMDb (23.2.2022)

Der Blaue Reiter und der Japonismus (uni-muenchen.de) (23.2.2022)

Der Kieler Ehrenbürger Prinz Heinrich von Preußen (24.2.2022)

Full text of "A guide-book for tourists in Japan" (archive.org) (24.2.2022)

Miyanoshita Onsen - Wikipedia (24.2.2022)

JS1_Antoni.pdf (dijtokyo.org) (24.2.2022)

Tourismus-Boom: Die Schweizer und Deutschen in Japan | Asienspiegel (24.2.2022)

000275903.pdf (emb-japan.go.jp)(24.2.2022)

Ostasien, Japan - Schreiben eines »Shikishi« - Deutsche Digitale Bibliothek (deutsche-digitale-bibliothek.de) (24.2.2022)

• Japan: leading travel motivations of German tourists 2019 | Statista (25.2.2022)

WD-1-181-10-pdf-data.pdf (bundestag.de) (28.2.2022)

Japan: a curio shop selling traditional Japanese products like lacquer-ware, carved ivory and bamboo work; interior. Coloured photograph by Felice Beato, ca. 1868. | Wellcome Collection (28.2.2022)

View of a curio shop, Japan, by Felic... | Items | National Library of New Zealand | National Library of New Zealand (natlib.govt.nz)( 28.2.2022)

Woman with baby in curio store, Japan. Date: circa 1890s (Photos Prints,...) #14138710 (prints-online.com) (28.2.2022)

Curio Shop Japan C1880 (lisataofineart.com) (28.2.2022)

Curio Shop, Japan (Photos Prints, Framed, Posters, Puzzles, Cards, Gifts,...) #14144217 (prints-online.com) (28.2.2022)

Japanese man in curio shop, Japan, 1908. Nachrichtenfoto - Getty Images (28.2.2022)

 

[ 1880s Japan - Japanese Curio Shop ] — Curio shop lay-out in a studio. Items displayed vary from a samurai suit of armour to shinto shrines, furniture and porcelain. 19th century vintage albumen photograph Stock Photo - Alamy (28.2.2022)

Verwobene Geschichte(n). Herkunftsorte von Objekten und ihre Beziehungen zu Schleswig-Holstein (4)

 

Gestorben in Afrika, bearbeitet in Asien, angebetet in Europa und Amerika

 

Im Nordfrieslandmuseum Nissenhaus Husum wird ein Objekt aufbewahrt, das drei oder sogar vier Kontinente in sich vereinigt. Es gehört zu der ethnographischen Sammlung, die der Husumer Museumsgründer, Ludwig Nissen, 1922 für sein Museum angekauft hatte und stammt von einem Sammler, von dem bislang nur sein Nachname bekannt ist: „von Hagen“.

Bei dem Objekt handelt es sich um einen beschnitzten Sockel, den ursprünglich eine Figur des Jesusknaben als „Guter Hirte“ zierte. Dieser wird üblicherweise auf einer Erhöhung sitzend dargestellt, die Beine sind übereinander geschlagenen. Die erhobene rechte Hand berührt den leicht geneigten Kopf. Der nur 10 cm hohe Sockel ist als eine Art Stufenpyramide aus drei Ebenen gestaltet. In der untersten Ebene ist Maria Magdalena in einer Höhle zu sehen. Sie liegt auf ihrer rechten Seite, den Kopf in die rechte Hand gestützt, die linke Hand liegt vor ihr auf einem aufgeschlagenen Buch. Auf der Rückseite sind liegende Tiger zu sehen. Auf der zweiten Ebene tummeln sich Schafe. Darüber ist ein Brunnen mit der Quelle des (ewigen) Lebens zu sehen, in die zwei Vögel (Pelikane?) ihre langen Schnäbel stecken. In seitlichen Löchern waren ursprünglich federartige Elemente eingesteckt, die den Baum des Lebens symbolisierten und jetzt ebenfalls fehlen. Der Sockel und auch die fehlende Figur ist/war aus Elfenbein gearbeitet und stammt aus dem 17. Jahrhundert. Bekannt ist, dass Figur und Sockel eine komprimierte symbolische Darstellung von drei „Gärten der Hirten“ sind: der himmlische Garten, der Garten Eden und die katholische Kirche mit Jesus als Hirte des dritten Gartens. Diese Vorstellung wurde erstmals 1658 im Buch des Jesuiten Miguel del Almeida formuliert, der das Buch in lateinischer Schrift und in der indischen Konkani-Sprache geschrieben hat. Es wurde in Goa, an der indischen Westküste, gedruckt und dürfte für etwa 30 Jahre zirkuliert haben.

Dort in Goa wurde die Figur auch geschnitzt. Diese ca. 20 km landeinwärts am Fluss Mandovi gelegene Hafenstadt wurde im 15. Jahrhundert gegründet und war zweite Hauptstadt der muslimischen Adil Shah-Dynastie. 1510 wurde sie von den Portugiesen erobert, die es zu ihrem administrativen Zentrum machten. Mit den Portugiesen kamen die katholischen Orden, die die lokale Bevölkerung missionierten: Franziskaner 1510, Jesuiten 1542, Dominikaner 1548, Augustiner 1572, Karmeliter 1609, etc.. Bald hatte die Stadt mehr Kirchen als das damalige Rom und galt als „Hauptstadt des Christentums in Asien“ oder „Rom des Ostens“.  Das Zusammenleben mit den Europäern gestaltete sich für die Bevölkerung von Goa nicht einfach: 1540 wurden auf Anordnung des portugiesischen Königs erstmals „heidnische“ Tempel zerstört, 1546 verbot er, dass Hindus christliche Bildwerke schnitzten, 1561 setzte die Inquisition ein, die sich gegen Muslime, sephardische Juden und Hindus wandte. In ihrem Zuge wurde u.a. nicht nur verboten, hinduistische Götterbilder zu besitzen. Ende Juni 1684, also 26 Jahre nach Erscheinen oben genannten Buches, wurde auch das Sprechen der Konkani-Sprache verboten.

Erst seit ein paar Jahren beschäftigt sich die Forschung intensiver mit den Elfenbeinfiguren aus Goa. Weltweit suchte man nach ihnen und konnte durch den Vergleich untereinander mehrere gemeinsame Aspekte feststellen:

1) Die Figuren weisen eine große Einheitlichkeit in der Gestaltung auf, die auf eine fast serielle Herstellung in spezialisierten Werkstätten schließen lässt. Es wird davon ausgegangen, dass hier indische Schnitzer unter portugiesischer Aufsicht arbeiteten. Dies machte die Figuren erschwinglich für die europäische Mittelklasse

2) Die Gesamtkomposition hat keine Entsprechung in der europäischen Kunst. Allerdings lassen sich zentrale Elemente (Guter Hirte, Maria Magdalen, etc.) auf europäische Vorstellungen und Vorbilder zurückführen. Auch das Sockelmotiv des (mehrstufigen) Berges kann christlich gedeutet werden, wahlweise als Darstellung eines real existierenden Berges in Indien, der eng mit dem Indienapostel Thomas verbunden sein soll, als Kalvarienberg oder Berg Sinai. Auch das Material an sich, Elfenbein, lässt christliche Konnotationen, wie „Reinheit“, zu.

 3) Zusätzlich zu einer christlichen Interpretation gibt es aber auch eine hinduistische Interpretation. Die Figur lässt gleich zwei hinduistische Assoziationen zu:  Dargestellt sein kann der Gott Shiva in seiner Erscheinungsform als jugendlicher (Kuh)Hirte oder in seiner Erscheinungsform als anmutiger, gütiger jugendlicher Lehrer Daksinamurti, der seinen Anhängern hilft, ihr höchstes Ziel zu erlangen. Traditionell sitzt Daksinamurti unter dem Baum der Weisheit auf dem heiligen Berg Kailash, der von friedlich miteinander lebenden Tieren (Raubtieren und ihren Beutetieren) bevölkert wird. Er hilft den Gläubigen bei der Selbsterkenntnis und bei dem Weg zur Herauslösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Da der asketische Daksinamurti traditionell oft auch reinweiß dargestellt ist, braucht das Elfenbein nicht, wie sonst in der indischen Kuns, bemalt zu werden.

4) Wie der Kunstgeschichtler und Historiker Saviello feststellte, gibt es das Motiv des unter einem Baum sitzenden Mannes, der von friedlich miteinander auskommenden Tieren umgeben ist, auch in persischen und mogulischen Buchmalereien. Sie zeigen einen sich in Liebe verzehrenden Mann namens Majnun. Er wurde zum positiven Sinnbild eines mit übernatürlichen Kräften ausgestatteten Gottessuchers und mehrere indische Mogulherrscher ließen sich in ähnlicher Weise porträtieren.

Ob jetzt findige Jesuiten eine hinduistischen Bildsprache für Begriffe der christliche Lehre gefunden haben, oder aber, ob die hinduistisch aufgewachsenen und neu zum Christentum bekehrten Schnitzer eine subversive Form gefunden haben, eine hinduistische Gottheit oder vielleicht einen muslimischen Heiligen unter einer christlichen Oberfläche darzustellen, sei dahingestellt.  Fest steht, dass diese Figuren, die im Übrigen von den Missionaren für die religiöse Unterweisung von Indigenen benutzt wurden, auch im christlichen Kontext nicht eindeutig waren. Zeitgenossen interpretierten sie höchst unterschiedlich z.B. als Jesusknabe oder Johannes der Täufer als Kind. Sie sind, so einer ihrer Erforscher, weder „Repräsentationen kolonialer Macht noch […] Zeichen indigener Resistenz“, sondern Ausdruck transkultureller Aushandlungen und Wandlungen (Saviello 2013: 65). Und gerade diese Mehrdeutigkeit und Bedeutungsoffenheit macht den Reiz des Objektes aus.

 

Auch das Elfenbein, aus dem der Sockel geschnitzt wurde, erzählt eine interessante Geschichte.  Es stammt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus Afrika. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts begaben sich die Portugiesen mit ihren Schiffen auf den Weg um die Westküste von Afrika. Auf der Suche nach Gold (Afrika) und Gewürzen (Indien) wollten sie erstens den Saharahandel umgehen, auf dem in Süd-Nord-Richtung Gold gehandelt wurde und zweitens den Seeweg nach Indien finden. Schnell wurde Elfenbein neben Gold und Pfeffer zu einem begehrten Handelsobjekt. Die Portugiesen begannen sukzessive mit den afrikanischen Gesellschaften an der Küste Handel zu treiben. Im Westen Afrikas trafen sie auf afrikanische Partner und deren Handelsnetzwerke, die ebenfalls einen neuen Markt wahrnahmen, wenn er sich ihnen bot. Sie trafen z.T. auf große und komplexe Städte vergleichbar zu denen in Europa und auf Gesellschaften mit königlichen Dynastien, entsprechenden Hofstaaten, Zeremonien und Künstlergilden. Im Osten Afrikas stießen sie auf arabische Händler, die sie aus dem Handel mit dem westlichen Indien verdrängten. Der sukzessiven Ausdehnung der portugiesischen Überseeherrschaft entsprechend, stammte das in Indien ankommende Elfenbein zunächst von westafrikanischen Waldelefanten aus den heutigen Gebieten Senegal, Gambia und dem Golf von Guinea, später wurde es vornehmlich aus Mosambik exportiert. Die Zahl der getöteten Elefanten bzw. ihrer nach Indien geschifften Stoßzähne variiert in den Quellen. Ende des 16. und im 17. Jahrhundert sollen etwa 3.000 Stoßzähne jährlich nach Indien gekommen sein. Andere Autoren sprechen von 22.000 Stück.

Die in Goa geschnitzten Elfenbeinfiguren wurden aber nicht nur nach Portugal exportiert, wo sie in Privathäusern der religiösen Erbauung dienten. Sie gelangten auch in die anderen portugiesischen Kolonien, so unter anderem auch nach Brasilien. Es ist unklar, wo genau der Sammler die Figur erstanden hat. Da aber auch Objekte aus Brasilien in seiner Sammlung sind, besteht durchaus die Möglichkeit, dass er sie in Brasilien erstanden haben könnte. Welchen Bedeutungswandel die Figur möglicherweise dort erfahren hat, wäre ein interessantes neues Forschungsfeld.

 

Goa – Schleswig-Holstein

Goa: 1) Indischer Bundesstaat, in der Sprache der dortigen Bewohner Gomya genannt; 3.702 qkm, etwa 1,5 Millionen Einwohner, Durchschnittstemperatur 27,4°C (SH: 2017: 8,3°C), ca. 90 Regentage im Jahr (SH: 139 Tage), Gesamtsumme Sonnenscheinstunden 2835 (SH 2017: 1567).

Die 1993 im Bundesstaat gefundenen Petroglyphen, die etwa vor 22.000-32.000 Jahren entstanden, gelten als frühester Nachweis menschlicher Bewohner. Seit Beginn unserer Zeitrechnung herrschten verschiedene Dynastien unterschiedlichster Religionszugehörigkeit in dem Gebiet. Seit dem 10. Jahrhundert unterhielt der Hafen der damaligen Handelsstadt Gopakpattana Beziehungen u.a. zu Sansibar (Afrika) und Sri Lanka. Ab 1510 wurde das Gebiet nach und nach von den Portugiesen erobert, die ihren Besitz im Laufe der Zeit immer wieder militärisch festigen mussten, bis es 1961 von indischen Truppen rückerobert wurde (zur Erinnerung: Indien hatte 1947 seine Unabhängigkeit von den Briten erlangt). Der hohe Anteil an Christen in Goa (etwa 25% der Bevölkerung) ist heute ein Politikum, sie gelten als “Klone der Kolonialherren“.

2) Goa-Stadt: auf Konkani: Pornnem Goem, Adlem Gõi, Goeam, „Goa Velha“. Die Stadt war den Arabern unter den Namen „Sindabur / Sandabur“ bekannt. Ab 1510 wurde sie Residenzstadt des Vizekönigs bis diese nach mehreren Epidemien verlegt wurde und die Stadt seitdem an Bedeutung verlor. 1986 wurden die Kirchen und Klöster in die Liste der Welterbestätten aufgenommen. Der Schleswig-Holsteiner Jürgen Andresen, der im Dienste der Niederländischen Ostindien Kompagnie stand, gelangte 1644 nach Goa. In seiner von Adam Olearius herausgegebenen Reisebeschreibung schildert er die Stadt als „bewohnet von allerhand Nationen, als von Portugiesen, Moren, Malabaren, Armeniern, Benjanen, Bramanen, Rasbuten, Decanarien, Juden, Arabern und Chinesen, so alle meist Kauff-Leute sind und durch ganz Indien handeln“ und beobachtete den Besuch des Bischofs von Mozambik in der Stadt.

Sucht man heute im Internet nach den Stichwörtern „Goa“ und „Schleswig-Holstein“, stößt man auf Erläuterungen der Kriminalpolizei zur sogenannten „Goa-Szene“, die Festivals feiert und Drogen konsumiert. Erweitert man die Suche und ersetzt Goa durch Indien, so findet man zwei schleswig-holsteinische Zweigstellen der Deutsch-Indischen Gesellschaft (Kiel, Lübeck) und liest, dass Lübecker Marzipan zunehmend in Indien geschätzt wird. Vom Indian Business Forum e.V. Hamburg erfährt man, dass mindestens 2 große indische Firmen in Schleswig-Holstein ansässig sind, und dass Deutschland Indiens größter Handelspartner in der EU ist. Selbstverständlich kann man auch nach indischen Restaurants suchen.

Ende Dezember 2020 lebten 1.940 Inder in Schleswig-Holstein, die meisten davon im Kreis Pinneberg und in Kiel.

 

Fotos: Husum: © Nordfrieslandmuseum Nissenhaus, Fotograf: Thomas Lorenzen, Husum.

 

Literatur:

Bortolot, Alexander Ives

2003      Trade Relations among European and African Nations. In: Heilbrumm Timeline of Art History. New York: The Metropolitan Museum of Art. Abgerufen unter: http://www.metmuseum.org/toah/hd/aftr/hd_aftr.htm (14.2.2022).

 

Flamingh, Alida de, Ashley Coutu, Judith Sealy, Shadreck Chirikure, Amanda D.S. Bastos, Nzila M. Libanda-Mubususu, Ripan S. Malhi, Alfred L. Roca

2021      Sourcing Elephant Ivory from a Sixteenth-Century Portuguese Shipwreck. In: Current Biology, Vol. 31, Issue 3, S. 621-628. Abgerufen unter: https://doi.org/10.1016/j.cub.2020.10.086; Sourcing Elephant Ivory from a Sixteenth-Century Portuguese Shipwreck - ScienceDirect (10.2.2022).

 

Floss, Harald

 

2015      The Oldest Portable Art: the Aurignacian Ivory Figurines from the Swabian Jura (Southwest Germany). In :  Palethnologie [En ligne], 7 | 2015, mis en ligne le 12 décembre 2015. Abgerufen unter:  http://journals.openedition.org/palethnologie/888 ; DOI : https://doi.org/10.4000/palethnologie.888 (8.2.2022).

 

 

 Gusella, Francesco

 

2019      New Jesuit Spurces on the Iconography of the Good Shepherd Rockery from Portuguese India: the Garden of Shepherds of Miguel de Almeida (1658). In: Journal of Jesuit Studies. Abgerufen unter: New Jesuit Sources on the Iconography of the Good Shepherd Rockery from Portuguese India: the Garden of Shepherds of Miguel de Almeida (1658) in: Journal of Jesuit Studies Volume 6 Issue 4 (2019) (brill.com) (12.2.2022)

 

 

 

Olearius, Adam (Hg.)

 

1696      Orientalische Reise-Beschreibung: Jürgen Andersen aus Schleßwig/ Der Anno Christi 1644 außgezogen/ und 1650 wieder kommen. Und Volquard Iversen aus Hollstein/ So Anno 1655 außgezogen/ und 1668 wieder angelanget : Sind beyde respective durch Ost-Indien/ Sina, Tartarien/ Persien/ Türckeyen/ Arabien und Palestinam gezogen: und haben zu Wasser und Land viel merckliche Dinge gesehen und erfahren. Hamburg. Abgerufen unter: Inhouse-Digitalisierung / Orientalische Reise-Beschreibung: Jürgen Andersen aus Schleßwig/ Der Anno Christi 1644 außgezogen/ und 1650 wieder kommen. Und Volquard Iversen aus Hollstein/ [...] (uni-halle.de) (21.2.2022).

 

Osswald, Maria Cristina Trindade Guerreiro

1996      O Bom Pastor na imaginária indo-portuguesa em marfim. Porto. Dissertation. 2 Bände. Abgerufen unter: http://hdl.handle.net/10216/64762 (12.2.2022)

 

 

Ross, Emma George

2002      The Portuguese in Africa, 1415-1600. Heilbrum Timeline of Art History. Abgerufen unter: http://www.metmuseum.org/toah/hd/agex/hd_agex.htm; The Portuguese in Africa, 1415–1600 | Essay | The Metropolitan Museum of Art | Heilbrunn Timeline of Art History (metmuseum.org) (14.2.2022). 

 

 Saviello, Alberto

2012      Tranzsendenz in transkultureller Perspektive – Die indo-portugiesischen Elfenbeinfiguren des „Guten Hirten“, Teil 1. In: Indo-Asiatische Zeitschrift. Mitteilungen der Gesellschaft für indo-asiatische Kunst, 16 (2012): 59-73. Abgerufen unter: (PDF) - Transzendenz in transkultureller Perspektive – Die indo-portugiesischen Elfenbeinfiguren des »Guten Hirten«, Teil I, in: Indo-Asiatische Zeitschrift, XVI, 2012, S. 59-73 | Alberto Saviello - Academia.edu (15.2.2022)

2013a    Transcendency in Transcultural Perspective: The Indo-Portuguese “Good Shepherd” Ivories. In: Großmann, G. Ulrich (Hg.) 2013, The Challenge of the Object: 33rd Congress of the International Committee of the History of Art. Bd. 1, S. 193-197, Nürnberg. Abgerufen unter: (PDF) Transcendency in Transcultural Perspective: The Indo-Portuguese »Good Shepherd« Ivories, in: The Challenge of the Object: 33rd Congress of the International Committee of the History of Art, hrsg. v. G. Ulrich Großmann, Bd. 1, Nürnberg 2013, S. 193–197 | Alberto Saviello - Academia.edu (15.2.2022)

2013b    Tranzsendenz in transkultureller Perspektive – Die indo-portugiesischen Elfenbeinfiguren des „Guten Hirten“, Teil 2. In: Indo-Asiatische Zeitschrift. Mitteilungen der Gesellschaft für indo-asiatische Kunst, 17 (2013): 57-70. Abgerufen unter: (PDF) - Transzendenz in transkultureller Perspektive – Die indo-portugiesischen Elfenbeinfiguren des »Guten Hirten«, Teil II, in: Indo-Asiatische Zeitschrift, XVII, 2013, S. 57-70 | Alberto Saviello - Academia.edu (15.2.2022). 

 

De Sousa Eremita, Bosco

2011      Book decries colonial tag for Christians. Calls for retelling of Jesus’ story and greater religious unity. In: Union of Catholic Asian News. Abgerufen unter: Book decries colonial tag for Christians - UCA News (15.2.2022). 

 

Tripati, Sila, und Ian Godfrey

2007      Studies on elephant tusks and hippopotamus teeth collected from the early 17th century Portuguese shipwreck off Goa, west coast of India: Evidence of maritime trade between Goa, Portugal and African countries. In: Current Science, Vol. 92, No.3, S. 332-339. Abgerufen unter: Microsoft Word - Feb10K.doc (nio.org) (10.2.2022)

 

Onlinequellen:

 

History of the ivory trade with special reference to Africa - Elephant Populations (ecologycenter.us) (8.2.2022)

Ivory: Manufactured Luxury | National Museum of American History (si.edu) (8.2.2022) 

Jesus o Bom Pastor | Museu de Arte Sacra (ufba.br) (14.2.2022)

The Christ Child as Good Shepherd | 71.324 | The Walters Art Museum (15.2.2022)

The Good Shepherd | Unknown | V&A Explore The Collections (vam.ac.uk) (15.2.2022)

White gold (Chapter 4) - Ocean of Trade (cambridge.org) (15.2.2022)

stosszahngewicht - For The Giants (16.2.2022)

Elfenbein – Stosszähne der Elefanten – Upali.ch (16.2.2022)

All About Elephants - Physical Characteristics | SeaWorld Parks & Entertainment (16.2.2022)

ivory | Definition, Uses, Trade, Products, Color, & Facts | Britannica (16.2.2022)

Lubeck: Plenty of Indian connection palpabale in picturesque German town - The Economic Times (indiatimes.com) (16.2.2022)

Goa | History, India, Map, Population, & Facts | Britannica (16.2.2022)

Sonnenstunden im Sommer 2021 nach Bundesländern | Statista (16.2.2022)

Jahresniederschlag in Deutschland nach Bundesländern 2019 | Statista (16.2.2022)

download_report_2017.pdf (dwd.de) (16.2.2022)

Im Rom des Ostens - WELT (16.2.2022)

Churches and Convents of Goa - UNESCO World Heritage Centre (16.2.2022)

Franz Xaver - Ökumenisches Heiligenlexikon (16.2.2022)

Franz Xaver – Wikipedia (16.2.2022)

The Goan Inquisition by the Portuguese: A forgotten holocaust of Hindus and Jews (opindia.com)(16.2.2022)

Goa Inquisition - Wikipedia(16.2.2022)

Indian Firms in Germany: Recent Developments and the Road Ahead (global-innovation.net) (16.2.2022)

Welcome to Consulate General of India, Hamburg (Germany) (cgihamburg.gov.in) (16.2.2022)

Partners (igep.org) (16.2.2022) 

History of Goa - Wikipedia (17.2.2022)

Verwobene Geschichte(n). Herkunftsorte von Objekten und ihre Beziehungen zu Schleswig-Holstein (2)

 

 

Colombo Detectives: Husum, Schleswig, Mildstedt, maritime Netzwerke und die alten Römer 

 

„Von der fürtrefflichen Insul Zeilon“, die der aus dem damaligen Herzogtum Schleswig stammende Matrose Jürgen Anderson 1645 erlebt hat, berichtet er unter anderem: „Die Cingalen stehen […]  fast alle Tage auf dem Marckte mit kleinen Säcken voll Edelsteinen´, worunter die meiste unecht oder schlechte gemeine sind, und verkauffen sie auf folgende Art: Man gibt ihnen ein Ropi oder halben Reishsthal.so mag man in den Sack einen Griff unbesehens thun, gleich als griffe man in einen Glückstopff. Ich habe für ein Stück von Achten zwo Hände voll gekaufft, der erste Griff war mir unglücklich, fand nicht einen guten Stein darunter, als nur ein paar kleine Steine, welche man Katzen-Augen nennet, der ander Griff aber war mir glücklicher, bekam etliche Rubinen und Saphire, die auf 10 Thal. geschätzt  wurden“ (Olearius (Hg.) 1669: 65,66).

 

Der Maler Emil Nolde, der 1914 auf dem Rückweg von der Südsee mit dem Schiff im Hafen von Colombo einlief, schreibt darüber in seinen Lebenserinnerungen: „Von der „Paradiesischen Schönheit“ Ceylons sahen wir nicht viel, sie wird nicht im Bereich von Reisenden liegen, die nur einen Tag dort weilen können“ (Nolde 1965: 125). Allerdings finden sich in seiner Sammlung 5 Masken aus Sri Lanka.  Ob er sie in Colombo oder in Europa erstanden hat, lässt sich gegenwärtig nicht sagen, fest steht nur, dass er eine davon in dem 1919 erstandenen Bild „Masken und Georginen“ gemalt hat (vgl. Müller 2012: 133).

 

Neunzehn Jahre früher, 1895, fuhr der Süddeutsche Wilhelm Geiger zum ersten Mal nach Sri Lanka. Gerade mit dem Schiff in Colombo angekommen, „[fanden sich] [d]ie Passagiere […] zusammen und bereiteten sich vor für die Ausschiffung oder für einen kurzen Besuch an Land. Auf dem Wasser wimmelte es von Kähnen. Eingeborene Händler kamen an Bord und priesen uns ihre Waren an: Schnitzereien aus Elfenbein und Ebenholz, Schmucksachen und Edelsteine, kleine Papageien und köstliche Früchte. Wechsler liessen ihre Silber-Rupies in den Händen klingen. Bedienstete der verschiedenen Hotels empfahlen uns ihre Häuser; Führer erboten sich zur Begleitung zu diesem oder jenem Ausfluge […]“ (Geiger 1898:26).

 

Einen Tag später unternimmt er einen Ausflug und berichtet: „[…] in der […] Bucht haben Fischer ihre Boote an das Land gezogen. Es sind sogenannte Outriggers oder Auslegerboote, die für Ceylon charakteristisch sind. Sie bestehen lediglich aus einem ausgehöhlten Stamme und sind so schmal, dass eine Person nur mit Mühe drin sitzen kann; die Seiten sind, um das Einschlagen der Wellen zu hindern, durch aufgesetzte Bretter erhöht. Um nun das kiellose Fahrzeug vor dem Kentern zu hindern, gehen von der einen Bootseite horizontal zwei kräftige, etwas gekrümmte Stangen hinaus; dieselben sind an ihrem Ende durch einen runden und beiderseits zugespitzten Balken, den „Ausleger“, verbunden, welcher parallel mit dem Boote auf dem Wasser schwimmt.  […] Ich habe diese Outriggers sowohl mit dem Ruder als mit dem Segel ganz ausgezeichnet fahren sehen; namentlich ist es staunenswert, mit welcher Sicherheit sie die starke Brandung an den Korallenriffen durchschneiden, die in einiger Entfernung die Küste umgürten“ (ebd.: 28, 30).

 

Im November 1907 landete der Maschinistenmaat Johannes Schumacher im Hafen von Colombo und hatte Landgang von 7.30 Uhr bis Mittag. Gleich an der Landungsbrücke stieg er mit einigen Freunden in eine Rikscha und besuchte zunächst den „Viktoria Park“, „einen herrlich angelegten tropischen Garten“, wie er in seinem Tagebuch schreibt. Dann zeigte er ein interessantes Verhalten, das über die Rolle von Museen bei Souvenirkäufern nachdenken lässt: „Sodann besuchten wir das in der Nähe gelegene Museum für Volks- und Naturkunde (freier Eintritt) Parterre eine große Altertumssammlung enthaltend Waffen, Geräte Götzen usw.“ (Schumacher 2005: 12). Nach anderen Besichtigungen wieder „[a]m Hafen angekommen, besuchten wir verschiedene Geschäftslokale, deren Hauptverkaufsartikel Ebenholz, Elfenbein und Edelsteine waren. […] 11.30 fuhren wir an Bord zurück. Unterwegs begegneten uns viele einheimische Boote, deren schmaler Bau und aus einem zugespitzten Stamm gebildeter Ausleger auffällig sind. Wie überall so wurden auch hier an Bord Südfrüchte, hauptsächlich Bananen Ananas Kokosnüsse usw. zu sehr billigen Preisen verkauft. Außerdem wurden noch Ringe, Edelsteine, Briefmarken usw. nach vorherigem langen Handeln an den Mann gebracht“ (ebd.: 13). Den Verkaufsangeboten war also schwer auszuweichen.

 

Wir wissen nicht, ob und wenn ja, was die beiden Reisenden bei den sich zahlreich bietenden Gelegenheiten in Colombo gekauft haben. Die Boote jedenfalls haben auch viele andere europäischen Hafenbesucher fasziniert. Und es spricht für sich, dass unter den 58 Objekten aus Sri Lanka, die im Rahmen des Projektes erfasst wurden, 16 Modelle der oben beschriebenen Boote zu finden sind. Sie befinden sich im Nordfrieslandmuseum Nissenhaus und im Museum für Archäologie Schloss Gottorf. Von den meisten Sammlern ist kein Name übermittelt. Ausnahme sind der Arzt Dr. Hermann Gutschow und der Maler Hermann Eugen Graf. Ein Bootsmodell übereignete Gutschow 1886 dem ehemaligen Kieler Völkerkundemuseum ein Bootsmodell. Er war 1876 nach Ostasien gefahren um im japanischen Yokohama mit dem Aufbau des Lazaretts der Kaiserlichen Marine zu beginnen. Ab 1884 lebte er in Kiel. Über den 1873 geborenen Hermann Graf ist weniger bekannt. Fest steht, dass er in Weimar Kunst studiert und später unterrichtet hat und von 1898 bis 1939/40 in den dortigen Adressbüchern nachzuweisen ist. Zwei Bootsmodelle aus seinem Besitz werden im Nordfrieslandmuseum Nissenhaus Husum aufbewahrt.

 

Von den erwähnten, in Lokalen oder von fliegenden Händlern angebotenen „Hauptverkaufsartikeln“ Ebenholz, Elfenbein und Edelsteinen sind verhältnismäßig wenige in die hiesigen Museen gelangt. Es finden sich 2 Spazierstöcke mit einem Griff in Form eines Elefantenkopfes mit kleinen Stoßzähnen aus Elfenbein und 4 kleine Schmuckanhänger mit eingelegten Edelsteinen.

Eine museale Seltenheit aus Sri Lanka ist die Anstecknadel, die an Teilnehmer der Guttemplerkonferenz 1992 in Sri Lanka verteilt wurde. Sie befindet sich im Guttempler-Museum in Mildstedt.

 

Alle, die sich in Sri Lankas Häfen aufhielten, bewegten sich – vermutlich ohne es zu wissen -  im Zentrum eines Jahrtausende alten maritimen Netzwerkes, das seit etwa 2000 Jahren Europa mit Asien verbindet. Unter dem Namen Taprobane war die Insel dem Kommandanten der Flotte Alexander des Großen bekannt. Aber erst die Römer hatten direkten Kontakt mit den Bewohnern. Denn diese entsandten zu Zeit von Kaiser Claudius (Regierungszeit 41-54 n. Chr.) eine Delegation von vier Personen nach Rom, von der der Schriftsteller Plinius in seiner Naturgeschichte berichtet. Zu dieser Zeit war die Insel bereits ein wichtiges Handelszentrum und zentraler Umschlagsplatz. Aufgrund ihrer zentralen Lage verband die Insel die Wirtschafträume östlich und westlich des Indischen Ozeans (Székely 2018: 55; Schenk 2014: 100, 104). Zwischen 200 v.Chr. und 600 n.Chr. begannen einige Ortschaften den Handel mit dem Nahen Osten (Iran, Irak, Arabien) und Südostasien (Kingwell-Banham et alt. 2019: Table 1, Figure 6). Der chinesische Mönch Faxian, der ab 411 für zwei Jahre auf der Insel lebte, um den Buddhismus zu studieren, war der erste, der den Hafen von Colombo erwähnte. 1000 Jahre später führten die Chinesen erfolgreich Krieg gegen das Königtum Kotte an der Westküste der Insel. Bis etwa 1500 dominierten die Araber, Chinesen, Malaien und Inder den Handel. Die Araber nannten die Insel Serendib bzw. Seylan. Dieser Begriff wurde von den 1505 eintreffenden Portugiesen übernonmmen, sie nannten die Insel Ceilao; daraus wurde der Name „Ceylon“, wie die Insel bis 1972 hieß. Die Portugiesen beherrschten die Insel bis 1656.  Auf die Portugiesen folgten die Niederländer und von 1796 (an der Küste) bzw. 1815 (mit dem Fall des Königreiches von Kotte) bis zur Unabhängigkeit 1948 waren die Engländer die Kolonialherren. Die danach folgenden Auseinandersetzungen zwischen Tamilen und Singhalesen mündeten in Bürgerkriegen, die das Land zwischen 1983 und 2009 erschütterten.

 

Die Stadt Colombo mit seinem Hafen war neben dem von der Stadt Galle Mittelpunkt aller drei Fremdherrschaften. Der Name Colombo geht auf die Bezeichnung „Kolamba“ zurück, was auf ein altes singhalesisches Wort für „Hafen“ oder „Fähre“ zurückgeht. Auch heute ist er ein wichtiger Umschlagplatz und stand 2020 auf Platz 25 der der „Top Container Ports“ (Hamburg landete auf Platz 18).

 

Colombo, Sri Lanka und Schleswig-Holstein

Colombo: 37,31 Quadratkilometer groß , ca. 619.000 Einwohner (die größte Stadt Schleswig-Holsteins, Kiel, hat 246601 Einwohner); Durchschnittstemperatur 30,6°C (in SH: 13°C), die tiefste je gemessene Temperatur betrug 18°C, die Luftfeuchtigkeit liegt  durchschnittlich bei 80,5 % (SH: 1981-2010: 81%); durchschnittlich 145 Regentage im Jahr (in SH: 139); größte Stadt und Wirtschaftsmetropole Sri Lankas (in SH: Kiel bzw. Pinneberg (2014)), mit einem Umschlag von 7 Millionen Standartcontainer jährlich (HH-Hafen: 8,7 Millionen Standardcontainer).

Eine erste Besiedelung Sri Lanks erfolgte vor ca. 125.000 Jahren, der moderne Mensch kam vor ca. 28.000 Jahren (erste Menschen in SH vor 62.000 bis 82.000 Jahren, moderner Mensch in SH seit 12.700 Jahren).  

Ab etwa dem 3. Jahrhundert v.Chr. ist die singhalesische Schrift auf Inschriften nachgewiesen, als ältester Schriftnachweis in Schleswig-Holstein überhaupt gilt die Fibel von Meldorf mit Runen aus der 1. H. 1. Jh..

Hafen von Colombo (2020): 7 Millionen Standardcontainer jährlich (Hamburger Hafen 8,7 Millionen Standardcontainer)

185 Menschen aus Sri Lanka lebten Dezember 2020 in Schleswig-Holstein, die meisten davon in den Kreisen Ostholstein und Storman.

 

 

Fotos: Seebüll: © Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, Fotograf: Dirk Dunkelberg, Berlin; Schleswig: © Museum für Archäologie Schloss Gottorf, Fotograf: Sönke Ehlert, Kiel; Husum: © Nordfrieslandmuseum Nissenhaus, Fotografin: Tanja Brümmer; Milstedt: © Guttemplermuseum Milstedt, Fotografin: Franziska Horschig, Husum.

 

Zum Weiterlesen:

Senthuran Varatharajah

2018    Vor der Zunahme der Zeichen. Fischer Taschenbuch

 

 

Literatur:

  Bandara, Dammi ; Nalin Warnajith , Atsushi Minato und  Satoru Ozawa

2012      Creation of precise alphabet fonts of early Brahmi script from photographic data of ancient Sri Lankan inscriptions. In: Canadian Journal on Artificial Intelligence, Machine Learning and Pattern Recognition Vol. 3 No. 3, May 2012, S. 33-39. Abgerufen unter: Microsoft Word - AIMLPR-1204-011 (psu.edu) (3.2.2022).

  Bastiampillai, B. E. S. J.

1990      China-Sri-Lanka: Trade and diplomatic relations including the voyages of Cheng-Ho. Abgerufen unter: china_sri_lanka_trade_and_diplomatic_relations_including_the_voyages_of_cheng_ho.pdf (unesco.org) (3.2.2022)

  Chaiklin, Martha

2009      Ivory in Early Modern Ceylin: A Case Study in What Documents Don’t Reveal. In: International Journal of Asian Studies 6(01):37 – 63. Abgerufen unter: DOI:10.1017/S1479591409000023; (PDF) ‘Ivory in Early Modern Ceylon: A Case Study in What Documents Don’t Reveal’ (researchgate.net) (4.2.2022) 

  Coningham, Robin; Mark Manuel, Christopher Davis and Prishanta Gunawardhana

2017      Archaeology and cosmopolitanism in early historic and medieval Sri Lanka. In: Biedermann, Zoltán und Alan Strathern (Hg.), Sri Laka and the Crossroads of History. London. S.19-43. Abgerufen unter Sri Lanka at the Crossroads of History (ucl.ac.uk) 

  Dulani Elaabada Arachchi und Indika Priyantha Kaluarachchige

2019      Ayurveda Medical Tourism in Sri Lanka: Service Quality &Tourist’s Satisfaction. In: JTEAR, Journal of Tourism Economics and Applied Research, Vol. 3, Issue1 (2019): 1.7. Abgerufen unter: (PDF) AYURVEDA MEDICAL TOURISM IN SRI LANKA: SERVICE QUALITY & TOURISTS' SATISFACTION (researchgate.net) (3.2.2022) 

  Geiger, Wilhelm

1898      Ceylon. Tagebuchblätter und Reiseerinnerungen. Mit 23 Abb. nach Original-Aufnahmen, Wiesbaden. 

  Kingwell-Banham, Eleanor, Wijerathne Bohingamuwa, Nimal Perera et al

2019      Spice and rice: pepper, cloves and everyday cereal foods at the ancient port of Mantai, Sri Lanka. In: Antiquity, Volume 92, Issue 366, Dezember 2018, S. 1552-1570. Abgerufen unter: https://doi,org/10.15184/aqy.2018.168; Spice and rice: pepper, cloves and everyday cereal foods at the ancient port of Mantai, Sri Lanka | Antiquity | Cambridge Core 

  Müller, Karsten (Hg.)

2012      Emil Nolde. Puppen, Masken und Idole. Hamburg.

  Olearius, Adam (Hg.)

1696      Orientalische Reise-Beschreibung: Jürgen Andersen aus Schleßwig/ Der Anno Christi 1644 außgezogen/ und 1650 wieder kommen. Und Volquard Iversen aus Hollstein/ So Anno 1655 außgezogen/ und 1668 wieder angelanget : Sind beyde respective durch Ost-Indien/ Sina, Tartarien/ Persien/ Türckeyen/ Arabien und Palestinam gezogen: und haben zu Wasser und Land viel merckliche Dinge gesehen und erfahren. Hamburg. Abgerufen unter: Inhouse-Digitalisierung / Orientalische Reise-Beschreibung: Jürgen Andersen aus Schleßwig/ Der Anno Christi 1644 außgezogen/ und 1650 wieder kommen. Und Volquard Iversen aus Hollstein/ [...] (uni-halle.de) (21.2.2022)

   Plinius, Cajus Secundus

1881      Naturgeschichte. Online abgerufen unter: Full text of "Die Natugeschichte des Cajus Plinius Secundus : ins Deutsche übersetzt und mit Anmerkungen versehen" (archive.org). Buch 6.24.

Latein: bibliotheca Augustana (fh-augsburg.de)

   Schäfers, Anne Kathrin

2013      Besonderheiten des Gesundheitstourismus am Beispiel Ayurveda und dessen Bedeutung für den Tourismus-Sektor. Bachelorarbeit der Hochschule Mittweida. Abgerufen unter: Schaefers_Anne_Bachelorarbeit_2013.pdf (hs-mittweida.de) (3.2.2022) 

  Schenk, Heidrun

2018      Tissamahrama, Sri Lanka: Die Keramiksequenz und ihre Bedeutung für den frühhistorischen Fernhandel im Indischen Ozean. In: e-Forschungsberichte, iDIA.Publications 2(2014):97-105. Abgerufen unter: Anzeige von Tissamahrama, Sri Lanka: Die Keramiksequenz und ihre Bedeutung für den frühhistorischen Fernhandel im Indischen Ozean (dainst.org) 

  Schuhmacher, Johannes

2015      Erinnerungen eines Soldaten von S.M.S. Planet, 1907-1909. Forschungsanstalt der Bundeswehr für Wasserschall und Geophysik (FWG), FWG-Report 53. 

  Shukri, M.  A. M.

1990      Arab Contact with Sri Lanka  - Sindbad ans Ibn Batuta. Abgerufen unter: arab_contact_with_sri-lanka_-_sindbad_and_ibn_batuta.pdf (unesco.org) (3.2.2022) 

  Székely, Melinda

2018      Serendipity: The Roman Discovery of Taprobane. Abgerufen unter : 2018-11-2_49-62.pdf (emuni.si) 

  Zoske, Horst,

1966    "Gutschow, Hermann" in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 350 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117591475.html#ndbcontent (4.2.2022)

 

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Faxian | Chinese Buddhist monk | Britannica

Verwobene Geschichte(n). Herkunftsorte von Objekten und ihre Beziehungen zu Schleswig-Holstein (1)

  

Was Flugzeuge, Sulawesi, Husum und Nolde gemeinsam haben

 

Haben Sie im Flugzeug, Bahn oder Bus schon einmal über den Namen der in Kopfhöhe angebrachten Schonbezüge gerätselt? Sie heißen „Antimakassar“ und wurden im 19.Jahrhundert erfunden, um die Sitzmöbel vor dem damals gebräuchlichen Haaröl zu schützen, das unter dem Namen „Makassaröl“ bekannt war und Ende des 18.Jahrhunderts von einem Londoner Friseur erfunden wurde. Der Name „Makassar“ stammt von der gleichnamigen Stadt im Süden der indonesischen Insel Sulawesi. Die Stadt, die 1365 in javanischen Quellen erstmals schriftlich erwähnt wird, hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Sie war eine befestigte Residenzstadt des Zwillingskönigtums Gawo (auch Goa)-Tallo und schon lange vor der Ankunft der Europäer eine bedeutende multinationale Handelsmetropole für Malaien verschiedenster Herkunft und Araber, mit dem Hafen als wirtschaftlichem Zentrum. Später kamen Portugiesen, Engländer, Dänen, Chinesen und Niederländer hinzu. „Die Stadt stand allen offen, welche den Machtanspruch der Herrscher von Goa-Tallo akzeptierten, und war flexibel genug, sich mit allen Neuankömmlingen zu arrangiere, sei es in geographischer und städtebaulicher, in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. […] Die Stadt zeichnete sich durch ihre Offenheit und ihr buntgeschecktes Leben aus, was nicht im Gegensatz zu ihrem makassarischen und islamischem Charakter stand, sondern integraler Bestandteil ihres Wesens war“ (Nagel 2001: 120).

 

Den Niederländern war diese auch militärisch und diplomatisch starke Konkurrenz ein Dorn im Auge (vgl.: Mostert 2018: 28, 51). Nach einem Krieg gegen das Königreich erzwang die Niederländische Ostindien Kompagnie 1669 die wirtschaftliche Vorherrschaft und erlaubte den Makassaren nur noch Handel mit benachbarten Inseln wie Bali, Java, Borneo und Timor.  Die Makassaren ließen sich aber das Heft nicht aus der Hand nehmen und erschlossen Märkte, die für die Niederländer uninteressant waren.

 

Im Frühjahr 1900 hatte der Reiseschriftsteller „Baron“ Ernst von Hesse-Wartegg (1851-1918), von dessen Reisen zahlreiche Objekte in Husum sind, einen Tag Aufenthalt in Makassar. Er befand sich zusammen mit seiner Frau, der US-amerikanischen Opernsängerin Minnie Hauk (1851-1929), auf dem Weg in die Südsee. Hesse-Wartegg war in Europa ein berühmter und gefragter Mann. Er hatte seit 1876 zunächst die USA und dann die Welt bereist, bereits 19 viel gelesene Bücher und mehr als 350 Artikel veröffentlicht – Mark Twain und Karl May sollen von ihm abgeschrieben haben - außerdem war er seit langem ein gefragter Vortragsreisender. Über Makassar schreibt er: „[…] später ging die Stettin auf der Reede von Makassar, der Hauptstadt von Celebes, vor Anker, um abermals einen Tag hier zu verweilen, die reine Vergnügungsfahrt. Eine fremde, eigenartige Welt thut sich dem Reisenden hier auf, denn Makassar ist die große Pforte, welche zu den Molukken führt“ (Hesse-Wartegg 1902:10). An anderer Stelle begeistert er sich: „Und welche Häfen sind das! Nicht rauchige, rußige, nüchterne Hafenstädte mit ihrem Schmutz, ihrem Lärm und rasendem Verkehr, wie jene der gemäßigten Zonen, sondern hauptsächlich die lieblichsten Tropeneilande, mit üppigem Pflanzenwuchs, mit der merkwürdigsten Bevölkerung, mit nie gesehenen, malerischen Fahrzeugen, gefüllt mit seltenen Erzeugnissen der Tropen, die wir in Europa kaum dem Namen nach kennen; der längere Aufenthalt des Dampfers gestattet es dem Reisenden, Fahrten ins Inland zu unternehmen, die Paläste der Rajas und Sultane, sowie die Hütten der Eingeborenen zu besuchen und die malerische asiatische Inselwelt in ihren typischen Einzelheiten zu sehen“ (ebd.: 4).

 

Wie genau das Ehepaar Hesse-Wartegg / Hauk diesen Tag in Makassar verbracht hat, ist noch unerforscht. Berücksichtigt man seine Vorgehensweise auf anderen Reisen, könnte er – gut vorbereitet – möglicherweise ein Empfehlungsschreiben bei sich gehabt haben und um eine Audienz bei dem Sultan von Gowa oder seinem Repräsentanten gebeten haben.  

 

Denn im Nordfrieslandmuseum Nissenhaus in Husum befindet sich ein „Geschenk des Königs von Boa“, das das Ehepaar erhalten hatte. Diese in einer besonderen, komplizierten und sehr kunstvollen Flechttechnik gearbeitete Dose wurde möglicherweise in den Frauengemächern des Herrschers gefertigt. Welchen Wert und welche Bedeutung dieses Geschenk für ihn hatte, und ob / welches Gastgeschenk er von Hesse-Wartegg erhielt, ist nicht dokumentiert. Ebenso wenig, was es für das Ehepaar Hesse-Wartegg/Hauk bedeutete.

 

14 Jahre später machte ein weiteres Ehepaar Halt in Makassar: der Maler Emil Nolde mit seiner Frau Ada. Sie reisten in entgegengesetzter Richtung, da sie sich auf dem Rückweg von Papua-Neuguinea befanden. Nolde erwähnt diesen Aufenthalt in seinem Buch „Welt und Heimat“: „Wir kamen nach Makassar auf Celebes [CK: alter Name von Sulawesi]. Während ein paar Tagen waren wir an Land.“ Das Ehepaar besuchte ein „malayisches Theater“, das ein Stück mit Namen „Genoveva“ aufführte, in dem Nolde u.a. auch den Gassenhauer „Im Grunewald ist Holzauktion“ erkannte (Nolde 1965: 108). Hierbei handelt es sich um eine Vorstellung der sogenannten „Komedi Stambul“, einem indigenen Musiktheatergenre, die von den 1890ern bis zu den 1930ern im indonesischen Archipel sehr beliebt war. 1891 in Surabaya erfunden und mit „eurasischen“ Schauspielern (sogenannten „Indos“) (Cohen 2006: 2), richtete es sich an ein malaiisch sprechendes Publikum. Später bildeten sich viele kleine Kompagnien heraus, die in „Pop-up“ Theatern spielten. Für das Repertoire wurden neben chinesischen, indischen und persischen Romanzen auch beliebte europäische Märchen und Opern adaptiert, Hauptsache es unterhielt das Publikum (Jedamsky 2009: xxvii). Oft in einer karnevalesken Atmosphäre aufgeführt, gerieten sie zu einem „Spektakel der Andersheit / Andersartigkeit“ (Cohen 2010: 1), waren aber auch ein Hauptkanal für das malaiische Publikum, europäische Literatur kennen zu lernen (Cohen 2009: 278).  Gleichzeitig ermöglichten sie den Schauspielern wie auch dem Publikum tief in neue Rollen zu schlüpfen, so dass es nach den Vorführungen bisweilen zu Faustkämpfen kam. Von den „Indos“ und malaiischen Kritikern als kulturelle Neuerung geschätzt, wurden die Komedi Stambul von den niederländischen Kritikern als „verachtenswerte Mimikry europäischer Originale“ (Jedamsky 2009: xxvii) bewertet. Nolde selbst war weniger hart, stattdessen fragt er nachdenklich: „Was aber würde ein Javaner sagen, wenn wir eines seiner Götterspiele mit Gamelang-Musik aufführen würden? Oder ihre kultischen Tänze?, ihre Tänze, die jahrzehntelange Übung verlangen und wo jede kleinste Bewegung sinnbildlich bedeutsam ist? Wir wissen ebensowenig, wie er von unsern Märchen, unserem Goethe oder der deutschen Musik“ (1965:113). 

 

Was das Ehepaar an den anderen Tagen unternommen hat, ist derzeit nicht bekannt. Fest steht, dass es ein paar Andenken von Makassar mitbrachte, die der Maler 1928 für das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Gemälde „Mohn und Balifiguren“ adaptierte, und die jetzt in der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde aufbewahrt werden: kleine, teilweise bemalte Keramikfiguren von drei ebenerdig sitzenden Frauen und einem Mann. Gegenstände dieser Art dienten als Kinderspielzeug oder als „Hausdekoration“ (https://hdl.handle.net/20.500.11840/176210) und wurden vermutlich auf einem Markt verkauft. Auch hier wissen wir nicht, welche Bedeutung diese Figuren für Nolde und seine Frau hatten.

 

Makassar, Sulawesi und Schleswig-Holstein

 

Makassar: 5°8' südlicher Breite und 119°25' östlicher Länge, 15m über dem Meeresspiegel, 175,7 Quadratkilometer groß (SH ist fast 90x größer), 1,5 Millionen Einwohner (SH 2.911.000), Durchschnittstemperatur 32,5 °C (SH: 13°C), durchschnittlich 187 Regentage im Jahr (SH: 139).  Makassar ist die größte Stadt auf der indonesischen Insel Sulawesi und die drittgrößte Stadt Indonesiens.

Die Insel selbst wurde vor 120.000 Jahren von Frühmenschen besiedelt, seit 60.000 bis 70.000 Jahren lebt der moderne Mensch auf der Insel (in SH seit 13.700/ 10.760).  Sie beherbergt auch den bislang ältesten Nachweis gegenständlicher Kunst auf der Welt: die Malereien in Leang Tedongnge-Höhle mit einem Alter von 45.500 Jahren.

67 unterschiedliche indigene Sprachen werden auf Sulawesi gesprochen (in SH sind 5 Amtssprachen anerkannt). Erste arabische Händler kamen im 14. Jh. nach Süd-Sulawesi (nach SH: 965), etwas mehr als 200 Jahre später kamen die ersten Europäer.

Um 1400 wurde mit dem Lontaraq eine eigene Schrift entwickelt, eine Weiterentwicklung einer etwa um 800 in Indonesien entstandenen Schrift. Die ersten christlichen Missionare in Schleswig-Holstein um den 782 in Dithmarschen getöteten Atrebanus dürften Schriftstücke in lateinischer Schrift mit sich geführt haben, als ältester Schriftnachweis in Schleswig-Holstein überhaupt gilt die Fibel von Meldorf mit Runen aus der 1. H. 1. Jh..

Das in buginesischer Sprache geschriebene 6000 Seiten starke La Galigo-Manuskript gilt als das längste epische Werk der Welt und wurde 2011 als UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen. Es entstand zwischen dem 13. Und 15. Jahrhundert.

Heute leben ca. 500 Indonesier in Schleswig-Holstein – nicht unwahrscheinlich, dass auch jemand aus der Wirtschaftsmetropole Makassar dabei ist.

 

Ich danke Frau Dr. Astrid Becker für den Hinweis mit dem Noldebild.

  

Fotos: Seebüll: © Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, Fotograf: Dirk Dunkelberg, Berlin; Husum: © Nordfrieslandmuseum Nissenhaus, Fotografin: Tanja Brümmer, Husum.

 

Literatur:

Clark, Marshall und Sally K. May

2013      Understanding the Macassans: a regional approach. In: Clark, Marshall und Sally K. May (Hg.), Macassan History and Heritage. Journeys, Encounters and Influences, Canberra. S. 1-18.

 Cohen, Matthew Isaac

2006      The Komedie Stamboel: popular theater in colonial Indonesia, 1891 – 1903. Athens.

2009   Hybridity in Komedie Stamboel. In: Jedamski, Doris, 2009, Chewing Over the West. Occidental Narratives in Non-western Readings. Amsterdam. S. 275-302.

2010   Performing Otherness. Java and Bali on international stages 1905-1952. New York.

2016      Inventing the Performing Arts. Modernity and Tradition in Colonial Indonesia. Honolulu.

 Dutz, Andreas und Elisabeth Dutz

2017      Ernst von Hesse-Wartegg (1851-1918). Reiseschriftsteller, Wissenschaftler, Lebemann. Wien.

 Hesse-Wartegg, Ernst von

1902      Samoa, Bismarckarchipel und Neuguinea: drei deutsche Kolonien in der Südsee. Leipzig.

Jedamski, Doris

2009   Introduction. In: Jedamski, Doris, 2009, Chewing Over the West. Occidental Narratives in Non-western Readings. Amsterdam. S.IX-XXXI.

 Jones, Paul Anthony

2020      Around the world in 80 words: A journey through the English language. Chicago. S. 175-177.

 Langton, Marcia und Robyn Sloggett

2014      Trepang: China and the story of Macassan-Aboriginal Trade – Examining historical accounts as research tools for cultural materials conservation. In: AICCM Bulletin 35(1):4-13; abgerufen unter DOI:10.1179/bac.2014.35.1.001.

Macknight, Campbell

2013      Studying trepangers. In: Clark, Marshall und Sally K. May (Hg.), Macassan History and Heritage. Journeys, Encounters and Influences, Canberra. S. 19-40.

 Mostert, Tristan

2018      Scramble for the spices. Makassar’s role in European and Asian Competition in the Eastern Archipelago up to 1616. In: Clulow, Adam und Tristan Mostert (Hg.), 2018, The Dutch and English East India Companies Diplomacy, Trade and Violence in Early Modern Asia. S. 25-54. Abgerufen unter: The Dutch and English East India Companies (oapen.org)

Nagel, Jürgen G.

2001      Vom Stadtstaat zur Kolonialstadt. Grundzüge der Stadtentwicklung Makassars (Süd-Sulawesi) im 17. Und frühen 18. Jahrhundert. In: Gründer, Horst und Peter Johanek (Hg.), 2001, Kolonialstädte. Europäische Enklaven oder Schmelztiegel der Kulturen. Münster. S. 109-143.

Nolde, Emil

1965      Welt und Heimat. Köln.

 

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Indonesien: Älteste Höhlenmalerei der Welt entdeckt (faz.net) (31.1.2022)

45.500 Jahre altes Schwein ist die älteste Figurenmalerei der Welt | National Geographic (31.1.2022)

Skeletal remains of a Pleistocene modern human (Homo sapiens) from Sulawesi (plos.org) (31.1.2022)

Germany - Memory of the World Register | United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (unesco.org) (31.1.2022)

Kultur - Kiel - Hanse-Dokumente aus Lübeck nominiert für Unesco-Welterbe - Kultur - SZ.de (sueddeutsche.de) (31.1.2022)

I La Galigo in context | Digital Collections (universiteitleiden.nl) (31.1.2022)

https://hdl.handle.net/20.500.11840/176210) (29.1.2022) 

A I 4 - j 20 SH (statistik-nord.de) (1.2.2022)

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